INLAND EMPIRE von David Lynch

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Wahrheitsproduktion in Inland Empire

Verschachtelte Schachteln. Selbstbezüge und Rückbezüge. Man könnte meinen David Lynchs Inland Empire sei eine Assoziationskette, der man unmöglich folgen könne. Aber sollte man das – folgen wollen? Inland Empire ist vielmehr ein Assoziationsgeflecht, unüberschaubar. Und doch flechten sich die Eindrücke des Filmes zu eigenen Assoziationen ins eigene Hirn. Da erzählen ein paar leichtbekleidete junge Mädchen der hervorragenden Laura Dern (im Film unter anderem Nikki) sie solle ein Loch in Seide brennen, um in die Zukunft gucken zu können. Dann ist Laura Dern wieder allein und sie brennt mit der Zigarette ein augengroßes Guckloch in den Stoff. Unabhängig von Zeit und Raum: Das Loch in der Nahaufnahme.
Was Laura Dern sieht, das kreisrunde Brandloch, es bleibt, lagert in unseren Zellen, um später wieder abgeholt zu werden: Die jungen leichtbekleideten Mädchen räkeln sich beim Nichtstun in dem Zimmer, in dem sie auch Laura Dern einmal begegneten. Eines trinkt aus einer Glasflasche. Sie sitzt schräg mit dem Rücken zu uns und hebt die Flasche an, um sie zu ihrem Mund zu führen. Doch werden wir nicht sehen, wie sie sie ansetzt. Dagegen bekommen wir das Loch, die runde Öffnung der Flasche zu Gesicht. Und wir blicken in die Vergangenheit und denken an die Zukunft: Laura Dern schaute durch das Loch in der Seide. Und wir blicken in die Zukunft und denken an die Vergangenheit: Laura Dern sitzt in der nächsten Szene und schaut durch das Loch in der Seide. Und wir mit ihr. Sie und wir: Selbstbezogen, reflexiv verschachtelt. So funktioniert Wahrheitsproduktion in Inland Empire. Realität ist unabhängig von Zeit und Raum. Für die Protagonisten in Inland Empire, genauso wie für uns.

txt.: julianbauer

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